Gesellschaftliches,  Persönliches

Was bringen mir Blumen, wenn ich echte Wertschätzung will? – Gedanken zum Muttertag (&Vatertag)

Muttertag steht vor der Tür und wie jedes Jahr sehe ich ihm mit gemischten Gefühlen entgegen.

Mein größter Aufreger dieses Jahr kam aus Bayern – von der CSU. Doch ich bin mir sicher, das hätte auch in (fast) jedem anderen Bundesland passieren können.

Die dortige Arbeitsministerin Carolina Trautner sorgte sich netterweise nämlich auch schon um den Muttertag und hat verkündet, dass «der Muttertag […] gerade auch während der Corona-Pandemie Anlass für ein ganz besonderes Dankeschön an die Mütter sein» soll.

Klingt ja erstmal toll!

Deshalb wird es also zum Muttertag –

haltet euch fest –

eine “erweiterte Möglichkeit zum Blumenverkauf geben”.

Äh ja.

Genau das, was Millionen Mütter gerade brauchen.

Und nächste Woche zum Vatertag wird das Bierkaufen ermöglicht oder wie?

Mein Verhältnis zum Muttertag ist schon immer ambivalent.

Ich muss zugeben, schon ohne Pandemie ist mein Verhältnis zu diesem Feiertag zwiespältig. Doch dieses Jahr nervt mich vieles davon ganz besonders.

Dieser Zwiespalt hat verschiedene Gründe. Manche davon sind eher gesellschaftlich zu sehen und manche sind eher persönlicher Natur.

Ich will euch beispielhaft ein paar davon zeigen. Schon in der Geschichte des Feiertages gibt es vieles, was zu kritisieren ist.

Ein Feiertag mit zweifelhafter Geschichte

Die ursprüngliche Idee für einen Feiertag zu Ehren der Mütter war wirklich löblich. Die Erfinderin der Muttertages Anna Marie Jarvis wollte nach dem Tod ihrer eigenen Mutter nicht nur diese ehren, sondern an einem Tag im Jahr alle Mütter ehren. Doch schon bald entwickelte er sich dann in eine ganz andere Richtung.

Der Verband Deutscher Blumenhändler etablierte ihn beispielsweise in Deutschland mit dem offensichtlichen Ziel mehr Blumen zu verkaufen. In den USA bekommt eine beschenkte Mutter scheinbar Geschenke im Wert von durchschnittlich 172$ und auch in Deutschland sind es immerhin noch 25 €.

Anna Marie Jarvis kritisierte schon in den 1920er Jahren die Kommerzialisierung und versuchte sogar das Feiern desselben zu verhindern.

In Deutschland wurde der Feiertag schließlich von den Nationalsozialisten sehr stark forciert. Mit ihm verbreitete sich ein Mutterbild, das die meisten von uns so nicht mehr gutheißen.

Doch inzwischen scheint der Muttertag ein fast uneingeschränkt positives Image in der Öffentlichkeit zu haben. Für mich wirkt er immer wie ein Tag, der mit Kitsch und Kommerz, mit Zuckerguß und Unmengen an Blumen überschüttet wird.

Und die verqueren Rollenbilder sind wir leider auch nicht losgeworden.

Muttertag zeigt die verqueren Rollenbilder und zementiert sie noch weiter.

Als Kind habe ich im Kindergarten zum Muttertag ein Gedicht auswendig gelernt. Ein Vers darin lautete “Wir äßen Fisch mit Honig und Blumenkohl mit Zimt, wenn du nicht täglich sorgtest, dass alles klappt und stimmt.” Ein Satz, den ich heute noch auswendig kann, so “beeindruckt” hat er mich damals.

Blumenkohl ist kein Zeichen für Mutterschaft
“Blumenkohl mit Zimt” – im Muttertagsgedicht zeigt es den überhöhten Anspruch an Mütter, aber eigentlich ist es ganz lecker. (Bild von Tosca Olivi)

Abgesehen davon, dass ich in der Zwischenzeit sowohl Fisch mit Honig als auch Blumenkohl mit Zimt (Garam Masala) gegessen habe und für lecker befunden habe, zeigt das ganze Gedicht, den verqueren Anspruch, den wir an Mütter haben. Ohne diese wären Kinder weder gewaschen, noch würden sie “richtig” essen, schlafen könnten sie natürlich auch nicht etc.

Von Vätern ist selbstverständlich in dem Muttertagsgedicht keine Rede.

Wer jetzt meint, dass meine Kindergartenzeit ja schon lange her sei und sich seitdem viel geändert habe, dem kann ich leider nur teilweise rechtgeben.

Ja, meine Kindergartenzeit ist echt schon lange her.

Doch erst vorletztes Jahr gab es einen Werbespot zum Muttertag, der sogar vom Deutschen Werberat gerügt wurde, so sexistisch war er. Er zeigte – natürlich nur ironisch…. – wie unfähig Väter halt sind und endete mit dem Dank an die Mama, dass sie nicht Papa sei.

Im Jahr 2019.

Das ist noch nicht so lange her.

Dieser Feiertag schreit eben geradezu nach sexistischen Zuschreibungen und die Werbeindustrie kann der Versuchung nur selten widerstehen. Doch so zementieren wir diese Vorstellungen immer weiter.

Als Feministin sorgt das allein natürlich schon für ziemliche Vorbehalte bei mir. Doch es gibt auch Gründe eher persönlicher Art.

Viele Menschen finden den Tag schwierig.

Die Werbung vermittelt gerade zum Muttertag oft das Bild, dass wir doch alle ganz glücklich sind, diesen Tag zu feiern. Doch je älter ich werde, desto klarer ist mir, dass es wirklich viele Menschen gibt, die mit diesem Tag eher schwere Gefühle verbinden.

Ich habe Frauen kennengelernt, die jedes Jahr schmerzhaft daran erinnert wurden, dass sie keine Kinder bekommen konnten, obwohl sie sich das sehnlich gewünscht hatten.

Es gibt aber auch Frauen, die wollen keine Kinder und müssen das viel zu oft rechtfertigen. Bei einer so kitschigen Überhöhung der Mutterrolle wird dieser Druck noch weiter verstärkt.

Manche Mütter haben ihr Kind verloren oder haben ein ganz schwieriges Verhältnis zu ihren Kindern. Manche Kinder haben ihre Mutter verloren oder haben ein ganz schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter.

Dieses Bild von Mari Andrew, das ich vor Jahren mal bei Facebook gefunden habe, fasst diese Gründe ganz gut zusammen.

Mari Andrew hat in diesem schönen Bild viele persönliche Gründe zusammengefasst, warum Menschen Schwierigkeiten mit dem Muttertag haben, die wir als Gesellschaft zu oft ausblenden.

Auch wenn ich selbst nicht zu diesen Gruppen gehöre, so hat doch meine eigene Mutterschaft meinen Blick weiter verändert.

Meine Kinder schulden mir keinen Dank.

Das ganze Konstrukt “Muttertag” suggeriert, dass meine Kinder sich bei mir bedanken müssten und mich ehren müssten dafür, dass ich so nett und aufopferungswillig bin, sie “großzuziehen”.

Nur um das klarzustellen: Natürlich finde ich es schön, wenn meine Kinder echte Dankbarkeit kennen und ausdrücken können. Das versuche ich auch, ihnen vorzuleben.  Ja, so will ich für mich leben.

Doch es war meine Entscheidung, Kinder zu bekommen und diese auf ihrem Weg ins Leben begleite. Dafür müssen sie mir nicht dankbar sein.

Ich habe mir ausgesucht Mutter zu sein. Sie haben sich nicht ausgesucht, (meine) Kinder zu sein. Die Verantwortung für unser gemeinsames Leben liegt ganz klar bei mir.

Ich freue mich, wenn meine Kinder intrisisch motiviert ihre Dankbarkeit für irgendetwas ausdrücken. Sicher ganz besonders, wenn ich der Auslöser für diese Dankbarkeit bin.

Doch einmal im Jahr von anderen dazu motiviert oder gar gezwungen zu werden, ein süßes Geschenk für mich zu basteln, muss aus meiner Sicht nicht dazu gehören.

Echte Wertschätzung zeigt sich nicht an einem einzelnen Tag

Schon meine eigene Mutter fand den Tag wohl irgendwie seltsam. Sie hat immer zu uns gesagt, dass wenn wir sie 364 Tage im Jahr wertschätzen, dann sei doch der eine Tag ziemlich egal. Und wenn wir sie 364 Tage im Jahr nicht wertschätzen würden, dann könnten wir es uns an dem einen Tag auch vollends sparen.

Sie hat immer deutlich gemacht, dass der Rest des Jahres entscheidend ist und der Muttertag nur das Sahnehäubchen sein kann.

Und da kommen wir vermutlich zum eigentlichen Knackpunkt für mich. Gesamtgesellschaftlich stimmt für mich da so viel nicht, dass dieser eine Tag es nicht rausreißen kann.

Gesamtgesellschaftlich liegt so viel im Argen im Bezug auf Mutterschaft und Fürsorgearbeit im Allgemeinen.

Auf mich wirkt der Muttertag oft wie ein völlig unzureichendes Pflaster, das darüber hinwegtäuschen soll, wie wenig Fürsorgearbeit in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird.

Doch selbst die Unmengen an Blumen (meist auch noch Schnittblumen mit eher zweifelhafter Herkunft…) können nicht über all die Missstände hinwegtäuschen.

Einen Alltag, der vor allem in der Pandemie, viel zu oft am Rande des Burnouts stattfindet.

Die mangelnde Wertschätzung, die ganz besonders Mütter trifft, die sich gegen eine Erwerbstätigkeit entschieden haben.

Die Aussicht auf Altersarmut.

Die Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Das automatische Zuschieben von jeglicher Verantwortung zur Mutter eines Kindes, selbst wenn sich beide kümmern

….

Die Liste könnte noch lange weiter gehen und all das verschwindet ja leider nicht durch den Muttertag. Da können unzählige kitschige Werbespots den Einsatz der Mütter einmal im  Jahr würdigen, ihre Partner ihnen Blumen schenken  und ihre Kinder ihnen selbstgebastelte Geschenke überreichen. Ja, selbst das liebevoll vorbereitete, leckere Frühstück kann das nicht richten.

Was wünsche ich mir denn nun statt der Blumen zum Muttertag?

Wenn Blumen es nicht richten können, was wäre es denn stattdessen? Was können wir als Gesellschaft tun, dass der Muttertag tatsächlich ein Sahnehäubchen statt eines unzureichenden Trostpflasters ist?

Nun da fällt mir einiges ein. Ich wünsche mir beispielsweise:

  • echte Wertschätzung an 365 Tagen im Jahr für alle Mütter
  • keinerlei Diskriminierung aufgrund der Elternschaft (hier noch mal der Hinweis auf die proparents-Initiative, die sich dafür stark macht, das wenigstens gesetzlich zu verbieten – bitte unterschreibt ihre Petition!)
  • Anerkennung der in viele Lebens- bzw. Arbeitsbereiche übertragbaren Kompetenzen, die wir als Eltern mit und durch unsere Kinder erwerben (das ist das Hauptziel dieses Blogs)
  • finanzielle Wertschätzung für Elternschaft (z.B. Rentenpunkte, Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplitting oder oder)
  • Mitdenken von Eltern und Familien bzw. deren Bedürfnissen, wenn es um gesamtgesellschaftliche Entwicklungen oder Herausforderungen geht (Stichwort Coronakrise…)

Wenn all das erreicht ist, können wir gern einmal im Jahr das Muttersein feiern.

Ganz ohne das Hochstilisieren von Mutterschaft.

Einfach nur weil das Muttersein für fast alle Mütter echt krass ist.

Weil es wirklich toll ist, was wir jeden Tag leisten.
(Spoiler: meine Kinder sind viel zu oft “nicht gewaschen”, essen Blumenkohl weder mit noch ohne Zimt und ich bin meist meilenweit von meinem eigenen Anspruch an mich entfernt. Trotzdem.)

Weil wir uns alle viel öfter feiern sollten (ich hätte dann gerne zusätzlich zu Vater- und Muttertag noch Großeltern-, Tanten-, Onkel-, Freunde-, Nachbarn-…. Tage).

Weil die nächste Generation ins Leben zu begleiten eine riesige Verantwortung bedeutet.

Das dürfen wir als Gesellschaft gerne feiern.

P.S.: Für mich ganz persönlich auch gerne ohne Blumen – aber jede:r wie sie:er mag!

 

Was bedeutet dir der Muttertag? Was wünschst du dir?

2 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.