Ein Schild mit der Aufschrift "Respekt" ist zu Boden gefallen, eine Person geht achtlos daran vorbei.
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Muss ich mir Respekt erst verdienen? Über den Wert „Respekt“ in Konflikten

Es gibt eine Sache, die lässt zuverlässig jeden Konflikt eskalieren: Das Fehlen von Respekt.

Solange wir respektiert werden, können wir gut über Meinungsverschiedenheiten sprechen und diskutieren. Wir können verschieden Standpunkte beleuchten und um Lösungen ringen. Doch wenn wir den Eindruck haben, nicht respektiert zu werden, nicht respektvoll behandelt zu werden, dann nehmen wir das persönlich und der Konflikt ist plötzlich auf einer ganz anderen Ebene. Eine konstruktive Lösung erscheint plötzlich unmöglich. Wie bekommen wir wieder den gegenseitigen Respekt in Konflikte rein?

Ein Schild mit der Aufschrift "Respekt" ist zu Boden gefallen, eine Person geht achtlos daran vorbei.
Wenn der Respekt fehlt, werden Konfliktlösungen fast unmöglich. [Bild von Arthur Yeti]

Heute will ich meine Reihe über Werte fortsetzen. Im ersten Artikel ging es um Authentizität und heute soll es also um respektvolles Verhalten, um Respekt in Konflikten gehen.

Warum ausgerechnet Respekt in Konflikten?

Mir persönlich geht es so, dass mir Respekt wie den meisten Menschen leicht fällt, solange wir uns alle gut verstehen. Dann ist Respekt im Umgang miteinander ja auch das Normale. Herausfordernd wird es in meinen Augen erst im Konflikt. Das ist ein bisschen wie mit der Toleranz – solange ich der gleichen Meinung bin oder es mir schlicht egal ist, fällt es leicht tolerant zu sein.

Schwierig wird es bei anderen Herangehensweisen, Zielen oder gar Werten. Doch ich habe als Mutter und in meiner Führungsrolle immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eben in solchen Konfliktsituationen der Respekt für mein Gegenüber besonders wichtig ist.

Wie wichtig dieser Respekt ist, zeigt ein Extrembeispiel.

Verhöre von Terroristen – ein Extrembeispiel für Konflikte

Der amerikanische Verhörspezialist Matthew Alexander beschreibt in seinem Buch “How to break a terrorist“, was er aus Verhören mit Terroristen gelernt hat. Seine Erfahrung hat ihn gelehrt, dass Respekt sogar wirkungsvoller als Folter ist.

Indem er sie als Menschen wahrgenommen hat, sich wirklich für ihre Themen interessiert hat und ihre Expertise wertgeschätzt hat, konnte er eine echte Beziehung zu ihnen aufbauen. Diese Beziehung hat dann schließlich dazu geführt, dass er die gewünschten Informationen erhalten hat.

Stacheldrahtzaun
Die Erfahrung mit Terroristen lehrte einen amerikanischen Verhörspezialist, dass selbst in diesen Ausnahmesituationen Respekt wirkungsvoller als Folter ist. [Bild von Markus Spiske]

Nun werden wir sicherlich weder unsere Kinder noch unser Team mit Terroristen vergleichen. Auch Folter ist weder im Berufs- noch im Familienleben ein akzeptables Mittel. Was will ich also mit diesem Extrembeispiel aufzeigen?

Wenn selbst Menschen in einem solchen Umfeld und in einer solchen Situation (Folter als akzeptabel angesehen, Gegenüber geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen etc.) zu dem Schluss kommen, dass Respekt die bessere Herangehensweise ist, dann stimmt das wohl erst recht für all die anderen Situationen.

Respekt im normalen Berufs- und Familienalltag

Wenn ich mich im Alltag so umschaue, dann sehe ich selbstverständlich keine Folter. Doch ich sehe tatsächlich immer wieder, dass es als probates Mittel angesehen wird, mein Gegenüber zu beschämen. Bloßstellen, Schimpfen und co. werden als “Erziehungsmittel” oder als Druckmittel an viel zu vielen Stellen immer noch angewandt.

Das widerspricht meinen Werten. Ich will meinen Teammitgliedern und natürlich auch meinen Kindern immer mit Respekt begegnen – auch und gerade in Konflikten. Das sollte in meinen Augen immer das Ziel sein. Doch wie sieht das jetzt genau aus?

Respektvolles Verhalten ist eine Entscheidung, die ich nicht vom Verhalten meines Gegenübers abhängig machen will.

Ein Mensch (mein Kind, ein Teammitglied, eine fremde Person im Bus…) muss sich meinen Respekt nicht verdienen. Ich will mein Gegenüber grundsätzlich bedingungslos respektvoll behandeln.

Wir alle wollen um unserer Selbst willen respektiert werden und nicht erst, wenn wir alle Regeln richtig beachtet haben. Ich habe es oben schon geschrieben – Respekt ist einfach, wenn mein Gegenüber macht, was ich will, was ich gut finde.

Doch was ist dieser Respekt gerade in Konflikten wert, wenn er erst verdient werden muss, wenn er nicht mehr gilt, sobald mein Gegenüber etwas macht, was mir nicht gefällt? Wo ziehe ich die Grenze? Verliert mein Gegenüber meinen Respekt, wenn er oder sie mich unterbricht? Darf ich jemanden respektlos behandeln, wenn diese Person mich beschimpft?

Mein Grundsatz ist klar: Ich will Menschen bedingungslos mit Respekt behandeln.

Ich bin da im Grundsatz sehr klar: Ich für mich will Menschen bedingungslos mit Respekt behandeln. Ich schreibe sehr bewusst nicht “Ich behandle Menschen bedingungslos mit Respekt.”. Denn das schaffe ich nicht. Doch es ist mein Anspruch an mich selbst. Michelle Obama hat das – damals im Bezug auf Trump – sehr gut auf den Punkt gebracht:

If they go low, we go high.

Michelle Obama

Gerade dann, wenn mein Gegenüber es grundlegend an Respekt mangeln lässt, will ich mich davon nicht auf das gleiche Niveau ziehen lassen. Für das Verhalten meines Gegenübers trägt diese Person selbst die Verantwortung. Doch wie ich darauf reagiere, ist meine Entscheidung. Dafür trage ich ganz allein die Verantwortung. Mein Wunsch ist es, diese Entscheidungen von Liebe geprägt sein zu lassen, nicht von Angst. Ich muss nicht vor lauter Angst, selbst nicht mehr respektiert zu werden, selbst respektlos werden. Nein, ich will meinen Werten entsprechend handeln.

Ich muss gestehen, dass mir Respekt im Büro oft leichter fällt als zuhause.

Von außen betrachtet sollte mir das ja bei meinen Kindern leichter fallen. Diese stehen mir ungleich viel näher. Außerdem sprechen bei so kleinen Menschen so viele Fakten dafür, dass sie das mit dem respektvollen Umgang eben noch nicht können. Das Gehirn ist teilweise einfach noch nicht in der Lage, im Konfliktfall adäquat zu reagieren.

Kinder üben noch mit der Wucht ihrer Emotionen umzugehen, da ist respektvolles Verhalten manchmal einfach zu viel verlangt. Bei einem erwachsenen Menschen erwarte ich ein gewisses Maß an Hirnreife und Bewältigungsstrategien. (Disclaimer: Ja, ich weiß, je nach Kindheit gibt es hier oft auch einen gewissen “Nachreife-Bedarf”.)

Mensch brüllt wütend in den Badezimmer-Spiegel
Kinder sind nicht nur ein schonungsloser Spiegel, sondern auch ein Bootcamp um respektvolles Verhalten in Konflikten zu üben. [Bild von Christopher Ott]

Doch um ehrlich zu sein: Meinen Kindern gegenüber fällt mir das trotz diesen Wissens ungleich schwerer. Sie drücken Knöpfe, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Sie finden mit beängstigender Sicherheit genau die Punkte, an denen ich mich weiterentwickeln muss, darf und kann.

Kurz: Im Vergleich zu dem, was im Zusammenleben mit meinen Kindern manchmal an Anstrengung nötig ist, ist alles was ich in jeglichem Bürokonflikt erlebt habe pillepalle, a walk in the park.

Das mag sicher am grundsätzlich wertschätzenden Umfeld liegen, in dem ich in den letzten Jahren arbeite. Doch ich bin auch überzeugt davon, dass dieses Bootcamp zuhause auch im Büro dafür sorgt, dass ich bei Konflikten leichter ruhig bleiben kann.

Ich habe mich besser kennen gelernt und weiß um die Punkte, an denen mir meine Vergangenheit Dinge erschwert. Und ich kann mich leichter in Menschen rein versetzen, die gerade auf solch einen Punkt gestoßen werden.

Wie steht es nun mit dem Respekt in Konflikten?

Wer bis hier her aufmerksam gelesen hat, hat sicher schon bemerkt, dass ich eigentlich noch gar nichts darüber geschrieben habe, was Respekt denn eigentlich bedeutet. Das ist natürlich richtig. Ich habe nur über meine Überzeugung geschrieben, dass niemand sich meinen Respekt verdienen muss. Ich bin der Meinung, wenn wir diese grundlegende Überzeugung haben, dass sich das andere dann relativ automatisch ergibt. Wenn wir klar darüber sind, dass es sich niemand verdienen muss, respektvoll behandelt zu werden, dann klappt es auch mit dem Respekt.

Denn wenn wir ehrlich sind wissen wir alle, was Respekt bedeutet. Es ist nur manchmal schwer sich einzugestehen, dass Respekt zu allererst unsere Verantwortung ist – ob als Eltern oder als Führungskraft.

Werden wir unserer Verantwortung also gerecht und begegnen unseren Teammitgliedern respektvoll – möglichst bedingungslos. Wie gelingt dir das? Hast du irgendwelche Tipps für mich? Oder siehst du die Sache mit dem Respekt ganz anders?

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